Skip to main content

Der Einfluss von Temu auf den

deutschen E-Commerce

Billiger, schneller und in Massen: Das ist das Konzept von Temu. Seit 2022 auf dem internationalen Markt legt der amerikanische Konzern, der aus China heraus operiert, einen steilen Aufstieg hin. Jeder vierte Deutsche hat letztes Jahr mindestens einmal bei Temu geshoppt.

Aber wie hat der Marktplatz das eigentlich geschafft? Und vor allem in diesem Tempo?

Kurz zusammengefasst: Temu bietet zur richtigen Zeit die richtigen Produkte zum richtigen Preis an.

Seit der Pandemie achten Konsumenten stark auf ihre Ausgaben, deswegen können Artikel, die von geringerer Qualität, aber dafür kostengünstig sind, besonders bei ihnen punkten. Temu bietet dabei so gut wie alles an: Kleidung, Haushaltsgeräte, Werkzeuge, Haustierbedarf und vieles mehr: So kann sich der Marktplatz gegenüber der Konkurrenz wie Shein, Wish oder AliExpress, die auch aus Asien stammen, profilieren. 

Temus Vielfalt katapultiert das Unternehmen auf Platz vier der Top Onlinemarktplätze in Deutschland 2023 und reiht sich damit hinter den Riesen der Branche, Amazon, Ebay und Otto, ein.

Temu und der (deutsche) E-Commerce:

Besonders in den Bereichen Produktvielfalt und Preis-Leistungs-Verhältnis kann Temu punkten. Zudem sind die Lieferzeiten, anders als bei den übrigen chinesischen Playern, kurz gehalten. Aspekte, die den Kunden positiv auffallen. Obwohl Temu erst seit 2023 den deutschen Markt beliefert, hat Temu, nicht zuletzt durch eine nahezu aggressive Werbestrategie, schnell die Warenkörbe der deutschen Konsumenten erobert.

Diese Entwicklung geht auch nicht an den einheimischen Händlern vorbei und stellt sie vor große Herausforderungen, um konkurrenzfähig bleiben zu können. Vor allem das Argument der Zollkosten, mit dem lokale Unternehmen normalerweise auftrumpfen können, umgeht Temu geschickt. Unterstützt durch die sowieso niedrigen Preise und mit raffinierten Teilsendungen bleiben sie stets unter der Freigrenze von 150€ und entziehen sich so diesem Wettbewerbsnachteil.

Jedoch kann der Einzug des Marktplatzes im deutschen E-Commerce auch als Chance gesehen werden. Das Anregen der Kauflaune, welche Temu 2023 mit rund einer Milliarde Euro Umsatz in Deutschland eindeutig erreicht hat, kann sich auch auf andere Anlaufstellen auswirken. Außerdem will sich die Plattform in absehbarer Zukunft auch westlichen Verkäufern öffnen. Obwohl die Details hierzu noch nicht bekannt sind, kann dieser neue Verkaufskanal für viele Online-Händler erfolgsbringend sein.

Retourenpolitik auf asiatischen Marktplätzen:

Ein Thema, bei dem Temu nicht immer überzeugen kann, ist die Qualität der Produkte. Der bestellte Artikel entspricht oftmals nicht dem, was sich der Kunde erwartet hat – eigentlich nicht unbedingt überraschend bei Betrachtung der Preise. Aufgrund dieser schwankenden Qualität werden Rückgabebestimmungen besonders wichtig. Diese sind jedoch nicht wie in Deutschland einheitlich geregelt, sondern unterscheiden sich von Unternehmen zu Unternehmen.

Bei Wish enthält der Prozess auf der Supportseite viele einzelne Schritte. Teilweise muss der Verbraucher sogar Beweisfotos liefern, damit die Retoure bearbeitet wird. Außerdem muss man nach Beantwortung aller Fragen auf Rückmeldung in den nächsten Tagen warten. Ob die Rücksendung kostenlos ist, hängt vom individuellen Verkäufer ab. Wish ist nicht der eigentliche Händler, sondern nur der anbietende Marktplatz und zieht sich deswegen aus der Verantwortung.

Bei Shein ist das Retourenverfahren benutzerfreundlicher. So hat der Käufer hier 45 Tage nach Erhalt der Ware Zeit, die Artikel kostenlos zurückzuschicken. Jedoch gibt es hier auch eine Stolperfalle für die Kunden: Nur das erste Retourenetikett ist umsonst. Falls mehrere Pakete aus einer Bestellung zurückgegeben werden sollen, muss der Kunde dafür selbst aufkommen. Temu hat die gleiche Regelung bei vermehrten Paketen. Jedoch gibt das Unternehmen hier 90 Tage Zeit für das Zurücksenden. 

Das Retourenrecht in Deutschland schließt das Widerrufsrecht von 14 Tagen ein. Dieses gilt erst nach Erhalt der Ware und auch nur, wenn der Käufer über dieses Recht informiert wurde. Rückgabefristen über diese zwei Wochen hinaus sind nicht verpflichtend, werden jedoch vermehrt von Verkäufern angeboten, um attraktiver zu werden. Außerdem haben Kunden auch ein Recht auf Gewährleistung, was bedeutet, dass sie bei Sachmängeln Neuware innerhalb von zwei Jahren reklamieren können. Die Kosten für die Rücksendungen sind nicht einheitlich geregelt. Wenn der Händler auf seiner Website darauf hinweist, trägt der Kunde den Kostenaufwand. Falls dieser Hinweis jedoch fehlt, muss der Verkäufer hierfür aufkommen.

Auf den ersten Blick könnte man nun meinen, dass die Retourenpolitik der im Ausland sitzenden Unternehmen trotz kleiner Stolperfallen, die man als Verbraucher übersehen kann, alles in allem sehr positiv und benutzerfreundlich ist. Die 14 Tage Widerrufsrecht erblassen neben den 45 und 90 Tagen von Shein und Temu. Doch dies ist nur auf dem Papier so. Viele Kunden bemängeln online, dass ihre Retouren nicht bearbeitet werden, diese zwar laut Sendungsverfolgung angekommen sind, sie aber kein Geld erhalten haben und der Kundensupport ihnen nicht weiterhilft. Das passiert bei Händlern aus Deutschland nicht und mit dieser Vertrauensbasis sollte man auch werben.

Akzeptanz und Bedenken der deutschen Verbraucher:

Bei Trustpilot sind die Bewertungen von Temu zweigeteilt. Während 46% der 12.600 Bewertungen fünf Sterne haben, beschweren sich auch 36% der Verbraucher.

Hier werden nicht erhaltene Bestellungen, fehlerhafte Ware, schlechte Qualität und abgelehnte Erstattungsanträge erwähnt. Ein weiteres Thema, das oft angesprochen wird, ist der fehlende Datenschutz. So gerieten mehrere Kunden nach dem Einkauf bei Temu in das Visier von Phishing- und Hacking-Angriffen. Diese Punkte spiegeln die allgemeine Einstellung gegenüber dem chinesischen Marktplatz wider: Qualitätsbedenken, Datenschutzprobleme und schlechter Kundenservice. Sogar die positiven Bewertungen erwähnen Mängel, aber verteidigen diese mit ihrer negativen Grundeinstellung vor Kauf, die bei Eintreffen der Ware übertroffen wurde. All diese Nachteile werden mehr oder minder wegen den niedrigen Preisen akzeptiert.

Strategien für deutsche Händler:

Was bedeutet das nun für deutsche Online-Händler? Wie kann man sich gegen die Konkurrenz aus dem Osten und ihren niedrigen Preisen durchsetzen?

Die Antwort lautet: Auf die eigenen Vorteile setzen und diese klar herausheben!

Verkäufer aus Deutschland können mit Lieferzeiten, Lieferkosten und eingehaltenen Rückgabeversprechen punkten. Außerdem genießen sie auch einen Vertrauensbonus. Deutsche Firmen müssen sich an deutsche Gesetze halten und sind deswegen vertrauenswürdiger als Firmen aus dem Ausland. Wie das Made in Germany Zeichen als Qualitätssymbol gilt, so zählt auch die Bestellbestätigung eines deutschen Online-Shops. Auf dieser Vertrauensbasis lässt sich aufbauen. Beim Versuch, seine Preise an die der Konkurrenz anzupassen, läuft man als Händler schnell Gefahr, seine Ware unter ihrem Wert zu verkaufen. Viel eher hilft es, seinen Online-Shop, falls vorhanden, zu optimieren, sodass die Customer Journey auf der Website problemlos verläuft, qualitativ hochwertige Artikel anzubieten und diese auch angemessen zu bewerben, sowie zuverlässige Retouren und guten Kundenservice anzubieten.

Gerade mit Blick auf die aggressive Marketingstrategie von Temu, die zwar im ersten Moment als Störer empfunden wird, lässt sich jedoch ableiten, dass Sichtbarkeit den höchsten Stellenwert für schnellen Erfolg hat. Eine richtige Werbestrategie auf den Plattformen, wo die Zielgruppe sich im Internet bewegt, ist unerlässlich. 

Temu hebt sich außerdem mit einer hohen Vielfalt an Produkten ab, aber nicht nur das, der Marktplatz reagiert und produziert nach Trends. Durch das große Netzwerk an Händlern, kann Temu genau auf die aktuellen Bedürfnisse der Kunden reagieren. So wird vor allem die jüngere Generation aufgefangen. Die App spiegelt nicht nur die neuesten angesagten Produkte wider, sondern verteilt massenhaft Rabatte. Zudem ist die App so konzipiert, dass sie ähnlich wie in den sozialen Netzwerken ein nahezu unendliches Scrollen ermöglicht. Auch hier lohnt es sich, als deutscher Online-Händler genauer hinzusehen:

  • Wen möchte ich erreichen?
  • Ist es die jüngere Generation? 

Ausblick auf zukünftige Entwicklungen:

Nach einem unglaublichen Start in Deutschland ist Temu gerade der Überflieger im Onlinegeschäft.

Doch Spekulationen über die Zukunft sehen düster aus. Das Geschäftsmodell ist genauso wie die Ware, die man dort kaufen kann, nicht auf Langlebigkeit ausgerichtet. Die Art von Wachstum, die Temu 2023 verzeichnen konnte, ist aller Voraussicht nach auf Dauer nicht tragfähig. Viele prognostizieren, dass Produktmängel und die Probleme in der Retourenpolitik dem Unternehmen zum Verhängnis werden. Bei einem Punkt sind sich alle Experten der Branche einig: Eine Bedrohung für Amazon wird Temu nicht werden. Zunächst muss der chinesische Marktplatz erst beweisen, dass er sich über mehrere Jahre hinweg behaupten kann.

Fazit

Durch kostengünstige, schnelle und massenhafte Angebote konnte Temu 2023 sich in die Reihen von Branchenriesen wie Amazon, Ebay und Otto einfinden. Der Erfolg des Unternehmens beruht darauf, eine Vielfalt an angesagten Produkten zu attraktiven Preisen anzubieten. Vor allem wichtig in Zeiten, in denen Verbraucher vermehrt auf ihre Ausgaben achten. Wegen dieses Erfolgs stehen deutsche Einzelhändler vor Herausforderungen, da Temu mit niedrigen Preisen, schnellen Lieferzeiten und geschickter Umgehung von Zollkosten punktet. Einige Strategien können deutsche Online-Händler sich hier abschneiden: schnelle Reaktion auf Trends und Marketingmaßnahmen. Die Retourenpolitik und die Produktqualität sind ein deutlicher Schwachpunkt von Temu. Hier können deutsche Händler ebenfalls ansetzen, um sich zu behaupten. Die eigenen Vorteile hervorheben und den Vertrauensbonus, den lokale Unternehmen genießen, nutzen. So lässt es sich gegen den Marktplatz durchsetzen, solange dieser seine Website noch nicht für deutsche Händler öffnet und deswegen zur Konkurrenz zählt.